Ladislav Kubeš (1924 – 1998)
„Ich erzähle Ihnen, warum ich die Blasmusik liebe und warum ich ihr mit aller Hingabe diente. Denn der Atem ist ihr Fundament. Ohne Atem gibt es kein Leben, der Atem ist eine schöpferische Kraft. Unsere Väter und Großväter wussten das und wer es heute leugnen will, ist gegen sich selbst. Die tschechische Blasmusik wird nicht zugrunde gehen, ihre lebendige Tradition wird es nicht erlauben.“
Ladislav Kubeš sen.
Der südböhmische Komponist und Musiker Ladislav Kubeš wurde 1924 in Borkovice unweit von Veselí nad Lužnicí geboren. Von seiner Kindheit an hörte er oft Volkslieder und Blasmusik, die sein Vater Matěj Kubeš – Flügelhornspieler und Kapellmeister – spielte. Er lehrte seinen Sohn Tenorhorn, Posaune und Tuba spielen. Ladislav Kubeš hatte Gelegenheit, die Musikinstrumente auch im Theaterorchester in České Budějovice/Budweis und im Kurorchester in Mariánské Lázně/Marienbad auszuprobieren. Seine ersten Kompositionen entstanden während des Militärdienstes bei der Militärkapelle in Jindřichův Hradec/Neuhaus unter der Leitung des Dirigenten und Komponisten Ferdinand Škrobák. Dort schrieb er die „Südböhmische Polka“ (Jihočeská Polka), die heute in Europa vielleicht jeder, der Blasmusik spielt, kennt. Ladislav Kubeš sen. schrieb und bearbeitete mehr als 400 Kompositionen. Viele davon wurden von namhaften Kapellen in der Welt aufgenommen. Zu den bekanntesten gehören Přerovanka, Borkovická polka, Od Tábora až k nám (Von Tábor zu uns) und weitere. Seine Kompositionen werden von Rundfunksendern in vielen Ländern gesendet. Bei uns kennen ihn die Hörer vor allem dank der glänzenden Interpretation der Kapelle Veselka, die 1981 vom Sohn des Komponisten, Ladislav Kubeš jun. gegründet wurde. Eine große gesellschaftliche Anerkennung stellte für Ladislav Kubeš sen. und seine Blaťácká dechovka (Blaskapelle von Blata) der Empfang beim österreichischen Bundespräsidenten Dr. Rudolf Kirchschläger im Februar 1975 war.Texte zu Kompositionen von Ladislav Kubeš stammten oft von den Schwestern Skovajsovy – aus ihrer Feder stammten unter anderem die Polkas Přerovanka und Hradišťanka (Morgen Polka). Einer seiner ersten Texter war František Vršecký, der am Anfang sein Helfer und Berater war. Von den anderen Mitarbeitern darf man Svatopluk Radešínský, Jaroslav Šprongl, Jiří Vostrovský, Jan Vlach und Vladimír Fuka nicht vergessen. Ladislav Kubeš sen. starb im Jahre 1998.
Mein südböhmischer Traum
Als junger Tenorist (damals Bassflügelhorn) in der Jugendkapelle Schlaining (im Burgenland) konnte ich nicht erahnen, dass eine Polka, die mein Lehrer und Kapellmeister Josef Hofer eines Tages mit uns einstudierte, meinen weiteren musikalischen Weg so beeinflussen würde. Die einzelnen Stimmen dieser überlieferten „böhmischen“ Polka, wie sie unser Kapellmeister nannte, waren mit grüner Tinte handgeschrieben. Das wunderschöne Trio für die Tenorhörner begeisterte mich unendlich. Meine Liebe zur böhmischen Musik war geboren. Ein ähnliches Erlebnis hatte ich als junger Musikverleger, als ich Ende der 1980er Jahre die Kompositionen von Ladislav Kubeš kennenlernte. Nach einigen telefonischen Kontakten gab es sehr rasch ein erstes persönliches Zusammentreffen mit Ladislav in Žíšov. Schon auf der Fahrt durch die Landschaft Südböhmens spürte ich die Kraft, aus der auch Ladislav Kubeš schöpfte. Es war der Beginn einer innigen Zusammenarbeit in verschiedensten Bereichen: Neben vielen Kompositionen des Ausnahmetalents, die der tuba-musikverlag veröffentlichte, erschienen auch einige Tonträger der „Original Südböhmischen Blaskapelle VESELKA“, unter der Leitung von Ladislav Kubeš jun., Sohn des Komponisten. Diese Produktionen wurden für mehr als 250.000 verkaufte CDs in einigen Fernsehsendungen mehrfach mit „Gold“ ausgezeichnet. An Ladislav Kubeš schätzte ich vor allem seine Bescheidenheit. Der Schöpfer großer Kompositionen, die damals schon von allen Freunden der südböhmischen Musik weltweit gespielt wurden, war stets freundlich, zuvorkommend und sehr gastfreundlich. Ich erinnere mich an jedes Treffen mit ihm, in Borkovice, Žíšov oder auch in Prag. Ein besonderes Erlebnis war der Besuch einiger Radiostationen in Österreich und Süddeutschland. Die Moderatoren der Blasmusiksendungen konnten ihren Zuhörern erstmalig den erfolgreichen Komponisten aus Südböhmen vorstellen. Trotz aller Widerwärtigkeiten und Einschränkungen, die Ladislav Kubeš aufgrund des politischen Systems in seinem Heimatland viele Jahre ertragen musste, schuf der Komponist Musik, die auch noch in Jahrzehnten viele Menschen begeistern und das Leben verschönern wird. So wie mich seinerzeit die „böhmische“ Polka begeistert hat.
Vielen Dank, Ladislav!
Gerhard Sulyok, tuba-musikverlag gmbh (A).
Die Kompositionen von Ladislav Kubes sind einfühlsam und kommen von Herzen. Sie spiegeln seine Persönlichkeit wider und sind eingebettet in die Welt, wo er zuhause ist: in Südböhmen.
Hans-Peter von Siebenthal, Winterthur (CH).
Der Name Ladislav Kubeš ist mit der Trachtenkapelle Brand untrennbar verbunden. Die ersten Begegnungen mit Ladislav sen. in der Nachkriegszeit müssen unter den damaligen politischen Bedingungen als legendär angesehen werden. Dass wir damals die Gelegenheit hatten, den „Polka-König“ persönlich kennenzulernen und auch mit seinen einmaligen Kompositionen praktisch druckfrisch versorgt zu werden, muss man aus heutiger Sicht als besonderen Glücksfall bezeichnen, genauso wie die bis heute gern gepflegte Freundschaft zur gesamten Familie.
Wir spielen bis heute originale – zum Teil sogar handschriftliche – Kompositionen von Ladislav Kubeš sen. Nicht weil es keine anderen Noten gäbe, sondern weil bei diesen Stücken der Funke überspringt und nicht nur das Publikum begeistert ist, sondern auch die MusikerInnen selbst. Dank ihrer zeitlosen Melodiösität und Heimatverbundenheit sprechen Sie, nicht nur wegen der historischen Hintergründe, vielen Menschen aus der Seele. Mögen die südböhmische Blasmusik und insbesondere die Werke von Ladislav Kubeš auch 100 Jahre nach seinem Geburtstag und in Zukunft ihren Beitrag zur Überwindung von politischen, sozialen, sprachlichen und nationalen Unterschieden leisten, vor allem in Zeiten wie diesen.
Jürgen Uitz, Obmann der Trachtenkapelle Brand (A).
Wir haben die große Ehre Kompositionen von Ladislav sen. im Verlag zu haben. Die gemeinsamen Stunden mit der Begeisterung zur „Südböhmischen Musik“ werden immer in Erinnerung bleiben.
Heribert Raich, Adler-Musikverlag (A).
Schweb, Wölkchen, schweb, grüß in der Ferne, dort auf eurer Pilgerreise grüßt das Land, dort auf Haná ach, das schöne Land, das geliebte Land, habe ich mein Herz vergeben, meine Wiege und mein Grab, meine Mutter, das Haná-Land Heimat, meine einzige, auch als Erbe mir gegeben, das fruchtbare Paradies, das weite Land, dort riecht des Mädchens Mund wie Rosenblüte, das einzige Land. Liebe Blasmusikfreunde! Vielleicht wirkt es anfangs ein wenig eigenartig, dass ich in dem oben stehenden Text Verse des bekannten (wenn auch nicht mehr so oft gelesenen) Dichters, Karel Hynek Mácha, mit den Worten der Texterinnen und Sängerinnen, den Schwestern Skovajsovy, verknüpft habe. Diese Passagen bilden den Text zur einfachen Polka „Přerovanka-Lottchen“ von Ladislav Kubeš sen. Die Verbindung von gehobener Sprache mit einem einfachen Schlager wirkt vielleicht etwas seltsam. Für einige wirkt eine Verschmelzung dieser unterschiedlichen Genres wie eine regelrechte Entweihung der Dichtkunst und eine plumpe Erhöhung einfacher – wie sie oft verächtlich genannt werden – „Gassenhauer“. Ich bin in diesem Punkt jedoch komplett anderer Meinung und halte es für ein bis heute nicht geklärtes Missverständnis, dass Kunst in die Kategorien „gehoben“ und „minderwertig“ eingeteilt werden kann. Ich frage mich, wann das Denken in solchen Kategorisierungen aufhört und endlich akzeptiert wird, dass jede Form der Kunst ihre Berechtigung hat. Letztendlich ist nur entscheidend, ob die Kunstwerke dem tiefsten Inneren, dem Geist und den Gefühlen eines Menschen entsprungen sind und dass sie ebenso tiefe Emotionen bei den Betrachtern und Zuhörern hervorrufen. Musik schenkt uns Freude und Motivation, spendet uns Trost und dient als Ausgleich für unsere Seele. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine Sinfonie, eine Oper oder ein dreiminütiges Lied handelt. Dank dieser Erkenntnis sehe ich in der Verknüpfung der gegensätzlichen Genres auch keinen Widerspruch. Beide Werke – die Dichtung wie auch die Polka – handeln von der Liebe zur Welt, zur Freiheit und zur böhmisch-mährischen Heimat. Nicht nur hierzulande, auch im Ausland erfreuen sich die Werke von Ladislav Kubeš großer Beliebtheit. Dieses Buch handelt vom Schaffen des begabten Musikanten. Mit dem Lesen dieses Buches lade ich Sie herzlich zu einer Reise auf den Spuren des südböhmischen Komponisten ein!
Miloň Čepelka, Autor.
Um die Geburt des Komponisten rankt sich eine besondere Legende: Am 23. Februar 1924 kam in Borkovice in der Kubeš-Stube ein gesunder Sohn zu Welt. An seine Wiege kamen drei alte weise Frauen und prophezeiten sein Schicksal. Zwei wünschten feste Gesundheit, viel Glück und verschwanden wieder. Die dritteschwieg eine Weile und dann sprach sie leise: „Ich gebe dir, Junge, eine große Liebe – gute tschechische Musik. Schreib sie für das Volk und schreib neue Melodien, dann wirst du ein Polka-König werden!“ All diese anerkennenden Worte zu Ladislav Kubeš, der 2024 seinen 100. Geburtstage gefeiert hätte, zeigen, welch große Bedeutung der südböhmische Komponist für die Geschichte der tschechischen Kultur hatte. Meine erste Begegnung mit Ladislav Kubeš hatte ich über seine „Südböhmische Polka“, die ich mit 17 Jahren zum ersten Mal mit der Kapelle von Bohumil Zbořil in Milotice bei Kyjov spielte. Nachdem ich ein Jahr später die Blaskapelle „Mistříňanka“ gegründet hatte, begab ich mich auf die Suche nach dem Autor der Polka. Über den damaligen Kapellmeister des Brünner Militärorchesters baute ich den ersten Kontakt zu Ladislav Kubeš auf – der Anfang unserer Zusammenarbeit. Bei jedem Treffen mit ihm fühlte ich unsere musikalische Seelenverwandtschaft. Er zog mich in seinen Bann, als er sagte: „Ich erzähle Ihnen, warum ich die Blasmusik liebe und warum ich ihr mit aller Hingabe diente. Denn der Atem ist ihr Fundament. Ohne Atem gibt es kein Leben, der Atem ist eine schöpferische Kraft. Unsere Väter und Großväter wussten das und wer es heute leugnen will, ist gegen sich selbst. Die Tschechische Blasmusik wird nicht zugrunde gehen, ihre lebendige Tradition wird es nicht erlauben.“ Seinen Worten kann ich nur beifügen, dass auch ich mein ganzes Leben lang dasselbe über die mährische Blasmusik dachte. Meine Kapelle, Mistříňanka, spielte seit jeher seine Kompositionen und wird sie auch weiterspielen. In seinen Polkas vereinen sich fröhliche Melodien aus Südböhmen mit der Musik unserer mährischen Slowakei. Seine Walzer und Ländler bekräftigen, dass er seinem Land stets treu geblieben ist, seine verträumten Melodien erinnern an die rauschenden Kronen des Böhmerwalds. Dies alles kann nur die Musik ausdrücken, aber hauptsächlich jemand, der sie schreiben kann. Ladislav Kubeš war so ein Künstler. Es ist sehr schade, dass viele Größen der tschechischen Blasmusik, zu denen auch Ladislav Kubeš gehört, nicht mehr unter uns weilen. Der Blasmusik vermachte er ein unsterbliches Werk, das für immer an ihn erinnern wird.
Antonín Pavluš, Kapellmeister der Blaskapelle Mistříňanka.